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Direkte Demokratie - Utopie oder reale Alternative?

  • Zitat

    Original geschrieben von space1980a:
    Du meinst weil sie ihre Körperschaftssteuer auf dem Niveau von Deutschland senken wollen? Also das macht noch lange nicht zu einem Steuerparadies.


    Und wer soll die Briten nach dem Brexit daran - theoretisch - hindern, eine Art "schweizer Bankgeheimnis" zu installieren? Die Cayman Islands und viele weitere "Mini-Staaten" sind britische Übersee-Gebiete. Die gehören nicht zur EU, haben einen "assoziierten Status" ... Das sind doch nicht abstreitbare Tatsachen!


    Warum sollen die Briten thoeretisch nicht aus ihrem Staat ein "Steuerparadies" machen? Zur EU gehören sie nicht mehr. Sie haben eine unabhängige Währung. Die EZB kann ihnen nun garnichts mehr dreinreden.


    Da die Engländer keine nennenswerte Rohstoffe haben und den EU-Binnenmarkt mitabgewählt haben, bleibt quasi nur noch ein Steuerparadies übrig. Also unrealistisch finde ich das nicht. Vor allem, wenn es viele kleine britische Übersee-Gebiete gibt, bei denen das mit der "Steuervermeidung" ganz gut läuft ;)

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  • Zitat

    Original geschrieben von Kir Royal:
    Und wer soll die Briten nach dem Brexit daran - theoretisch - hindern, eine Art "schweizer Bankgeheimnis" zu installieren? Die Cayman Islands und viele weitere "Mini-Staaten" sind britische Übersee-Gebiete. Die gehören nicht zur EU, haben einen "assoziierten Status" ... Das sind doch nicht abstreitbare Tatsachen!


    Die EU? Wenn es Teil der Verhandlungen wird oder man ein Abkommen schließt?


    Mit der Schweiz hat man anscheinend auch eine "neue Ära der Steuer-Transparenz" geschaffen. https://www.tagesschau.de/ausl…z-steuerabkommen-101.html


    Die Cayman-Islands haben auch Tax Information Exchange Agreements (TIEAs) unterzeichnet. http://www.oecd.org/tax/transp…ntstieascaymanislands.htm


    Zitat

    Auf der britischen Kanalinsel Jersey arbeitet jeder Fünfte der 98.000 Einwohner im Finanzsektor. In der Hauptstadt, St. Helier, haben sich Dutzende internationale Großbanken angesiedelt, die vermögende Privatkunden und Firmen aus aller Welt betreuen. Jersey ist genauso wie die 41 Kilometer entfernte Insel Guernsey von Großbritannien weitgehend unabhängig. Die beiden Inseln im Ärmelkanal können nicht gezwungen werden, EU-Richtlinien umzusetzen. Am Donnerstag hat der britische Finanzminister, George Osborne, klargestellt, dass auf Jersey und Guernsey das Bankgeheimnis aufrechterhalten bleibt. Nur die britischen Kolonien wie Bermuda, die Cayman Islands, die British Virgin Islands (Jungferninseln) und die in der irischen See gelegene Isle of Man werden beim automatischen Informationsaustausch mitmachen.


    Zunächst will Großbritannien die Daten aus den Steueroasen mit Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien teilen. Diese fünf Länder wollen Informationen nicht nur auf Anfrage, sondern automatisch austauschen. Die britischen Kolonien müssen ausländischen Behörden künftig nicht nur Auskünfte zu den Kontoinhabern, sondern auch über die Verwendung der Gelder übermitteln. Laut Osborne werde damit ein „weltweiter Standard im Kampf gegen die Steuerflucht“ geschaffen
    http://diepresse.com/home/wirt…ln-behalten-Bankgeheimnis


    Ich kenne mich auf dem Gebiet nun nicht aus. Aber damals ist dieser Informationsaustausch gegen Steuerflucht und Bankgeheimnis durch die G20/OECD entstanden. Inwiefern das nun mit der EU zutun hat und inwieweit das bindend ist, weiß ich nicht. https://www.oecd.org/berlin/pr…n-steuerinformationen.htm

  • Zitat

    Original geschrieben von Kir Royal:
    Da die Engländer keine nennenswerte Rohstoffe haben und den EU-Binnenmarkt mitabgewählt haben, bleibt quasi nur noch ein Steuerparadies übrig. Also unrealistisch finde ich das nicht. Vor allem, wenn es viele kleine britische Übersee-Gebiete gibt, bei denen das mit der "Steuervermeidung" ganz gut läuft ;)

    Klar können Länder mit kaum Bevölkerung davon sehr gut leben, aber das kann man nun wirklich nicht mit UK vergleichen. Und gleichzeitig meinst du ja sogar selbst das die britische Wirtschaft den Bach runtergehen wird und das kann ein florierender Finanzsektor niemals ausgleichen, da würde es zu einer Massenarbeitslosigkeit kommen und die Auswirkungen wären deutlich schlimmer wie all die Szenarien, die man zurzeit so zu hören kriegt.

  • Zitat

    Original geschrieben von Kir Royal:
    Warum sollen die Briten thoeretisch nicht aus ihrem Staat ein "Steuerparadies" machen?


    huch, warum reformieren sich nicht alle länder zum erfolgsmodell der steueroase?


    hmm, vielleicht weil man den wettlauf mit den mikro staaten in der karibik nicht gewinnen kann. vielleicht aber auch, weil GB auf steuereinnahmen angewiesen ist und einen haushalt für 64 millionen einwohner bestreiten muss.


  • Ich gehe davon aus, dass Deutschland in einigen Bereichen international stärker verflechtet ist als die Schweiz. Dennoch sehe ich hierbei kein Problem. Ob direkte Demokratie oder nicht ist im Endeffekt eine Grundsatzfrage wie ich finde. Wir kennen das optimale politische System nicht. Die Frage sollte sich nun stellen ob die direkte oder aber die indirekte Demokratie die zweitbeste Lösung darstellt.
    Der Aufbau des politischen Systems der Schweiz ist darauf aufgebaut, dass zu keinem Zeitpunkt eine einzelne Person zu viel Macht ausüben kann. So gibt es auch keinen Präsidenten im eigentlichen Sinne. Der Suverän ist das Volk. Ich persönlich halte dies für eine ausserordentlich stabiles System welches sich über die letzten Jahrzehnte bewährt hat. Ich werte meine Mitspracherecht in die Politik sehr hoch weshalb ich darauf auch nicht verzichten möchte. Zudem halte ich es für unangebracht dem einfachen Bürger auf subtile Art und Weise vermitteln zu wollen, dass er ja viel zu dumm sei, auf gut Deutsch gesagt, um politische Entscheidungen zu treffen. Viele komplexe Themen lassen sich auf einfach Grundsatzfragen reduzieren – dessen Beantwortung ist glaube ich dem deutschen Bürger zumutbar.

  • Niedergang der Volksparteien - Die Lösung lautet „direkte Demokratie“


    Der Niedergang der Volksparteien scheint nicht mehr aufzuhalten. Kein Wunder, kommentiert der Philosoph Andreas Urs Sommer, denn die Idee der politischen Repräsentation sei hoffnungslos veraltet.


    Eine Woche nach der Landtagswahl in Bayern hält mindestens ein lagerübergreifendes Lamento an: Die Analysten in Politik und Medien sehen die Volksparteien unaufhaltsam ihrem Ende entgegenwanken und prophezeien unserer Demokratie eine gefährliche Destabilisierung. Mehr noch: Am Schicksal der Volksparteien – sind sie sich einig – hänge das Schicksal der Demokratie.


    Nun gründen politische Parteien auf der Idee der Repräsentation. Nach dieser Idee haben die Bürger eine beschränkte Anzahl von Interessen; und die Parteien sind dazu da, den vier oder fünf Hauptinteressensschwerpunkten in der Bevölkerung politische Durchsetzungskraft zu verleihen. Einst schien sich der Bürger darauf verlassen zu können, dass „seine“ Partei auch seine Interessen wahrnimmt, und daher hat er sie mit schöner Regelmäßigkeit gewählt.


    Die Idee der Repräsentation ist unzeitgemäß


    Heute wird also darüber gerätselt, warum das nicht mehr so ist. Eigentlich ist die Antwort ganz einfach, wenngleich unpopulär: Weil die Idee der Repräsentation eine vormoderne Idee ist. Sie ist angemessen gewesen in einer Welt, in der die Interessenlagen der einzelnen Bevölkerungsgruppen noch klar und eindeutig waren: Da gab es die Bauern, die von drückenden Abgaben befreit werden wollten, da gab es das Bürgertum, das seine wirtschaftliche Macht gerne um politische Macht erweitern wollte, da gab es den Adel und den Klerus, die ihre Privilegien behalten wollten. Die Idee der Repräsentation ist mit anderen Worten die Idee aus einer ständisch organisierten Welt, in der es nur eine sehr beschränkte Vielfalt von Interessen gab.


    Mehr Parteien sind auch nicht die Lösung


    Die heutigen Parteiendemokratien haben die starre ständische Repräsentation zwar aufgebrochen – jede und jeder darf bei der nächsten Wahl eine andere Partei wählen, weil sich die eigene Interessenlage verändert hat. Aber die Idee der Repräsentation hält nicht wirklich Schritt mit dem, was die voranschreitende Modernisierung wesentlich und positiv ausmacht, nämlich Individualisierung. Individualisierung wiederum bedeutet nicht zuletzt eine Vervielfältigung der Interessen und Perspektiven. Es ist also, weil jedes Individuum seine ganz eigenen Interessen hat, völlig normal, dass es sich nicht mehr allein von einer Partei repräsentiert fühlt.


    Eine Lösung, scheint in der Aufsplitterung des Parteiensystems zu bestehen. Hat man mehr Parteien, erhöht sich schlicht arithmetisch die Wahrscheinlichkeit, dass da auch eine darunter ist, die die individuellen Präferenzen und Interessen einigermaßen abspiegelt. Aber diese Lösung ist nur eine scheinbare. Am Ende bräuchte jede und jeder eine eigene Partei.


    Demokratie muss heute direkt sein


    Die eigentliche Lösung ist der Abschied von der einseitigen Parteienorientierung in unserem Demokratieverständnis und stattdessen die Hinwendung zur direkten Partizipation. Wenn man die Bürgerin und den Bürger als mündige Wesen ernst nimmt, gibt es keinen Grund, ihre direkte Beteiligung an allen relevanten politischen Sachentscheidungen zu fürchten. Was spricht denn dagegen, ihnen genau gleich viel gesunden Menschenverstand zuzutrauen wie den Berufspolitikern, die von den zahllosen Dingen, über die sie in den Parlamenten befinden, fachlich meist nicht viel mehr Ahnung haben als die Bürger auch? Direkte Demokratie, wo über jede politische Frage vom Abriss der Dorfturnhalle bis zur Beschaffung neuer Kampfjets abgestimmt werden kann, funktioniert allerdings nur, wenn man sich in ihr einübt, das heißt, sie in größter Regelmäßigkeit praktiziert – statt alle 20 Jahre mal über BREXIT oder Stuttgart 21 zu votieren.


    Die angebliche Krise der Demokratie ist nichts weiter als eine Krise der vormodernen Idee der Repräsentation. Für diese Krise gibt es eine einfache und elegante Lösung: nämlich die Verschweizerung der politischen Welt.


    Quelle: https://www.deutschlandfunkkul…ml?dram:article_id=430997

  • Hab ich jetzt wieder bei der Hessenwahl im Wahl-O-Mat gemerkt. Es gibt immer Schnittpunkte mit der einen oder halt der anderen Partei. Das aber eine Partei dabei wäre, die wirklich zu 90% das unterstützt, was für mich persönlich wichtig ist, kann ich gleich vergessen. Also wählt man am Ende die Partei, mit den geringsten Negativpunkten für einen selbst. Das könnte eine direkte Demokratie bzw. mehr direktere Demokratie durchaus lösen. Allerdings weiß ich nicht, wie so ein System am Ende tatsächlich aussehen würde. Der Gedanke ist aber durchaus spannend.

  • 1. Wer arbeitet die Fragestellung heraus, damit am Ende nur noch 1-5 Antwortmöglichkeiten übrig sind?-Alles darüber wird ja schon wieder absurd. Vor allem bei komplexeren Themen wird das ungeheuer schwierig und es wird wieder Diskussionen geben, ob man die Antwortmöglichkeiten nicht auch irgendwie zur Abstimmung stellen kann ;)


    2. Solche Abstimmungen mit hoher Qualität und Sicherheit durchzuführen ist ungemein teuer. In großer Häufigkeit wird das ein immenser finanzieller, aber vor allem logistischer Aufwand.


    3. Man muss die Leute ja schon massiv dazu bewegen sich alle paar Jahre zur Wahl zu bewegen, wie soll das erst aussehen, wenn man jeden Monat oder jede Woche wählen soll?-Und im Zweifel, kommen dann die Radikalen öfter zum Zug, weil sie besser mobilisieren können (oder man schafft eine Grenze bzgl. der Wahlbeteiligung und reißt diese dann X-Mal).


    4. Ich halte es für schlichtweg unmöglich, dass sich die Masse der Bevölkerung in dieser komplexen Welt in jedes Thema so einarbeiten können, dass sie angemessen wohldurchdachte Entscheidungen bei komplexen Themen treffen können. Dann endet das ganze in von Emotionen geprägten Entscheidung - das ist meist eher ungünstig.


    Zum Wahl-O-Mat: Gerade diese zeigen doch dem einigermaßen politisch interessierten Menschen, dass bloße "Ja und Nein- Antworten" zumeist unbefriedigend sind, sobald es auch nur ein etwas kompliziertes Thema ist.


    Zu den Berufspolitikern, welche ja eh keine Ahnung haben: Oftmals sind es recht intelligente Leute, welche da sitzen und die es gelernt haben differenziert zu denken und abzuwägen. Das reicht mir schon, wenn ich weiß, dass sie eben von Experten und ihren Referenten unterstützt werden.


    Das jetzt mal so ganz spontan aus dem Kopf. Kann sein, dass ich es nochmal anders strukturiere oder was entferne/hinzufüge - wenn nicht die Faulheit siegt.

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  • Ich denke, spätestens das Brexit-Desaster sollte jedermann überdeutlich gezeigt haben, welche Gefahren und Probleme Volksabstimmungen mit sich bringen und wie wenig sinnvoll es ist, einen komplexen und mit Implikationen auf fast unendlich vielen Ebenen verbundenen Sachverhalt auf eine simple "Ja"/"Nein"-Frage an das (dazu noch durch gezielte Lügen und Fehlinformation aus dem Leave-Lager beeinflusste) Volk zu richten. Hätte man eine Woche nach der Abstimmung ein zweites Referendum durchgeführt, hätte "Remain" recht klar gewonnen. So funktioniert es einfach nicht.

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  • Doch, es funktioniert. Nur weil Dir das Ergebnis nicht gefällt, kann man nicht sagen, dass es nicht funktioniert. Zu einer Demokratie gehört eben auch, dass jene abstimmen dürfen, die sich nicht täglich mit Politik beschäftigen. Ist das ideal? Nein. Aber dann muss man auch die Frage stellen, warum in einer "normalen/indirekten" Demokratie ein politisch interessierter, gebildeter und hart arbeitender Bürger genauso viele Stimmen hat wie ein arbeitsloser Alki, der sagt "leckt mich alle am Ar***" und NPD wählt. Weil dessen Stimme in der Mehrheit untergeht? Das ist mir zu einfach gedacht. Wenn gezielte Fragen gestellt werden, hat jeder die Möglichkeit, gezielt seine Meinung abzugeben. Was vielleicht sogar dazu führt, dass sich jemand, der sich sonst nicht so für Politik interessiert, zumindest für ein bestimmtes Thema zu interessieren beginnt. Und abgesehen davon würde ich den Brexit weiterhin nicht als Desaster bezeichnen. Weder wirtschaftlich, noch politisch. Nun sind die Politiker eben gefragt, den Willen des Volkes (wenn auch SEHR knapp und wie Du schon geschrieben hast vielleicht eine Woche später anders) umzusetzen. Aber eben genau das macht doch die direkte Demokratie aus. Sie ist unbequem, aber sie drückt den Willen der Wähler unmittelbar aus. Ob einem das Ergebnis nun gefällt oder nicht.

  • Zitat

    Original geschrieben von Saft in Dosen:
    Doch, es funktioniert. Nur weil Dir das Ergebnis nicht gefällt, kann man nicht sagen, dass es nicht funktioniert. Zu einer Demokratie gehört eben auch, dass jene abstimmen dürfen, die sich nicht täglich mit Politik beschäftigen. Ist das ideal? Nein. Aber dann muss man auch die Frage stellen, warum in einer "normalen/indirekten" Demokratie ein politisch interessierter, gebildeter und hart arbeitender Bürger genauso viele Stimmen hat wie ein arbeitsloser Alki, der sagt "leckt mich alle am Ar***" und NPD wählt. Weil dessen Stimme in der Mehrheit untergeht? Das ist mir zu einfach gedacht. Wenn gezielte Fragen gestellt werden, hat jeder die Möglichkeit, gezielt seine Meinung abzugeben. Was vielleicht sogar dazu führt, dass sich jemand, der sich sonst nicht so für Politik interessiert, zumindest für ein bestimmtes Thema zu interessieren beginnt. Und abgesehen davon würde ich den Brexit weiterhin nicht als Desaster bezeichnen. Weder wirtschaftlich, noch politisch. Nun sind die Politiker eben gefragt, den Willen des Volkes (wenn auch SEHR knapp und wie Du schon geschrieben hast vielleicht eine Woche später anders) umzusetzen. Aber eben genau das macht doch die direkte Demokratie aus. Sie ist unbequem, aber sie drückt den Willen der Wähler unmittelbar aus. Ob einem das Ergebnis nun gefällt oder nicht.


    Logisch - du kannst nicht als Desaster bezeichnen, was noch nicht eingetreten ist (wobei, frag mal beim NHS oder Bauern nach, wie es sich so arbeitet ohne osteuropäische Billigarbeiter).
    Kurioserweise ist aber NIEMAND mehr positiv.
    Die ganzen Leaver sind weg. Eigentlich wollen die Tories May absägen, aber mit Brexit will niemand was am Hut haben, also bleibt sie noch im Amt.


    Und Brexit hat eindrucksvoll gezeigt, wie direkte Demokratie nicht funktioniert.
    Ein komplexes Thema auf Ja oder Nein runterzudrücken funktioniert nicht, weil seit über 2 Jahren der Knackpunkt des "Wie?" ist - soft oder hard Brexit oder doch gar kein Brexit?
    Du kannst nicht eine binäre Frage stellen, wenn die Antwort alleine schon viel komplexer ist. Das sollten wir doch hoffentlich alle gelernt haben.

  • Zitat

    Original geschrieben von Skyclad:
    Und Brexit hat eindrucksvoll gezeigt, wie direkte Demokratie nicht funktioniert.
    Ein komplexes Thema auf Ja oder Nein runterzudrücken funktioniert nicht, weil seit über 2 Jahren der Knackpunkt des "Wie?" ist - soft oder hard Brexit oder doch gar kein Brexit?


    Direkte Demokratie funktioniert schon.
    1. Abstimmung (In der EU bleiben oder nicht)
    2. Abstimmung (Hart oder weich)


    Aber auf die 2. Abstimmung warte ich noch...:D

  • Ich verschiebe mal die Diskussion der letzte Woche in den "richtigen Thread". Hoffe, das ist für alle ok :)


    Zitat

    Original geschrieben von bdbjorn:
    Insofern kann ich BigCountry nur zustimmen, dass du langsam auch mal darauf eingehen kannst, wenn man dir aufzeigt, wie viel Bürgerbeteiligung es heutzutage gibt: Jeder Menschen hat mehrfach die Möglichkeit, kommunale, landes- oder bundesweite Vertreter zu wählen. Genauso kann man Bürgerentscheide herbeiführen oder über Mitarbeit in Parteien, Gewerkschaften etc. Entscheidungsprozesse beeinflussen.


    Also ich kann dir gerne meine Kritik an der "parlamentarischen Demokratie" begründen. Nur wird es eben ein längerer Post ;)


    1) Also ich würde Demokratie grundsätzlich so definieren, dass Personen "einen Gesetzesvorschlag zur Abstimmungen bringen können" und dass diese Personen auch frei über "einen Gesetzesvorschlag einer anderen Person abstimmen können."


    2) Allgemein kritisierte ich nicht die "parlamentarische Demokratie", sondern ich vergleiche sie mit der "direkten Demokratie" und ich sehe hier deutliche Nachteile.


    3) Zur "direkten Demokratie": Da orientiere ich mich einfach an der Schweiz. Da kann jeder Bürger zu einem Thema 100.000 Unterschriften sammeln und später kann dann die gesamte Bevölkerung darüber abstimmen. Stimmt die Mehrheit der Bevölkerung zu, muss das vorhaben umgesetzt werden. Also mal ganz vereinfacht gesagt.


    4) Nun zur allgemeinen Kritik an der "direkten Mitbestimmung in Deutschland":


    Auf kommunaler Ebene habe ich als Bürger viel mehr Elemente der direkten Demokratie. Ich kann z.B. den Bürgermeister direkt wählen oder ich kann ein Bürgerbegehren starten. Problem ist nur, dass auf der "kommunalen Ebene" doch kaum etwas wirklich wichtiges entschieden wird. Man stimmt mal ab, ob das Schwimmbad renoviert werden soll oder ob ein Hotel gebaut werden soll.


    Auf den höheren Ebenen wird es schon sehr schwer, direkte Volksbegehren durchzuführen. In Bayern müssen beispielsweise innerhalb drei Wochen "eine Million Bürger" eine Unterschrift abgeben. In der Schweiz hat man für 100.000 Stimmen insgesamt 12 Monate Zeit.
    Durch dieses "viel zu kleine Zeitfenster" wird den Bürger natürlich so ein Volksbegehren deutlich erschwert.


    Auf der Bundesebene hat man als Bürger überhaupt keine Einflussmöglichkeit. Auf der EU-Ebene gibt es zwar auf dem Papier eine Möglichkeit, Unterschriften für ein EU-weite Volksbefragung zu sammeln (ich glaube, man muss 3 Millionen Unterschriften sammeln muss), aber die Kommission kann so eine Unterschriften-Aktion auch einfach ignorieren, wenn ihr das Thema nicht passt.


    5) Nun zu Kritik an der "parlamentarischen Demokratie":


    Lt. GrundGesetz ist ein gewählter Abgeordneter nur seinem Gewissen verpflichtet. Aber haben wir das auch in der Realität?


    Leider gibt es in allen Bundesfraktionen den sog. Fraktionszwang. Sprich, die Abgeordneten müssen alle einheitlich abstimmen. Damit wird leider die Verpflichtung nach dem eigenen Gewissen aufgehoben. Dazu sind die Abgeordneten auch ökonomisch erpressbar. Wer öfters in Abstimmungen sich nicht an die Fraktionsvorgaben hält, dürfte wohl kaum bei der nächsten Wahl wieder einen Listenplatz erhalten.


    Der nächste Kritikpunkt ist, dass die Oppositionsparteien keine Macht im Parlament haben. Deren Gesetze werden zu 99,9% von den Regierungsparteien abgelehnt. Also schreiben die Oppositionsparteien grundsätzlich Anträge "für den Papierkorb" und ansonsten können sie "Untersuchungsausschüsse" beantragen, deren Ergebnisse i.d.R. auch keine Veränderungen nach sich ziehen.


    Selbst wenn wir heute eine Moonsault-Partei gründen und bei der nächsten Bundestagswahl auf 10% der Stimmen kommen würden, hätten wir keine reale Chance, einen Gesetzesvorschlag umzusetzen. Bestes Beispiel ist die Linkspartei. Die ist seit 1994 (also früher als PDS) über 20 Jahre im Bundestag, dürfte aber noch nie ein Gesetzesvorschlag durchgebracht haben. Die politische Lebensleistung von Gregor Gysi ist am Ende, dass er 25 Jahren "Sonntagsreden" gehalten hat.


    Und selbst bei den Regierungsparteien haben wir einem Demokratie-Mangel. Die Koalitionsparteien schließen einen Koalitionsvertrag und darin wird ausgeschlossen, dass die Fraktionen im Bundestag eigene Gesetzesvorlagen einbringen dürfen.
    Im Klartext: Also selbst wenn heute jemand ein Bundestagmandat bei der Union oder der SPD bekommt, kann er keine Gesetzesvorschläge im Parlament vorschlagen.


    Woher kommen dann die Gesetzes-Entwürfe? Die werden in den Ministerien erstellt. Also die Exekutive schreibt Gesetzesvorschläge, die dann der Legislativen vorgelegt werden. Eigene Vorschläge darf die Legislative nicht einreichen. Das finde ich in Bezug auf die Gewaltenteilung schon sehr fragwürdig.
    Das gleiche Problem haben wir auch in der EU. Da dürfen die Abgeordneten im Parlament auch keine eigenen Gesetzesvorlagen vorschlagen. Deshalb werden in der EU auch überall die "alten Politiker geparkt", weil sie dort eh so gut wie nichts zu melden haben.


    Mein Fazit: Im Vergleich zur direkten Demokratie in der Schweiz hat nicht mal ein Bundestags-Abgeordneter eine reale Chance, einen Gesetzentwurf dem Parlament vorzulegen. Wird über ein Gesetzesentwurf (der Exekutiven) abgestimmt, herrscht Fraktionszwang. Und die Fraktionsvorsitzenden werden alles tun, dass die Gesetze (die zuerst von der Regierung erstellt werden) dann auch von den Fraktionen verabschiedet werden.


    Selbst ein Bundestagsabgeordneter hat in der "parlamentarische Demokratie" weniger demokratische Mitsprache, als der Normal-Bürger in der Schweiz. Und das finde ich als Demokrat schon ziemlich bescheiden.

  • Umfrage in Deutschland: Nur jeder Zweite ist mit der Demokratie zufrieden


    In einer Umfrage stellen die Deutschen der repräsentativen Demokratie ein mittelmäßiges Zeugnis aus. Viele Bürger wollen mehr Mitbestimmung.


    Nur 47 Prozent sind "zufrieden" oder "sehr zufrieden" mit dem Funktionieren der deutschen Demokratie, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung.


    Direkte Demokratie beliebter als repräsentative Demokratie !


    Groß ist offenbar der Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung bei der Gesetzgebung: 42 Prozent der Befragten sagten, am besten sei es, wenn die Bürger in regelmäßigen Volksentscheiden Gesetze verabschiedeten. 40 Prozent plädieren für das aktuelle repräsentative System, in dem gewählte Abgeordnete Gesetze beschließen.


    Nur 1% wünscht sich einen "starker Führer"


    16 Prozent halten Gerichte und Experten für die besten Gesetzgeber. Nur ein Prozent hat offenbar Sehnsucht nach einem starken Führer ("einzelne Führungspersönlichkeit mit umfassender Entscheidungsmacht").


    Quelle: https://www.spiegel.de/politik…-zufrieden-a-1281762.html


    Was der Spiegel verschweigt: DEMOKRATIEZUFRIEDENHEIT WIRD VON EINKOMMEN, SCHICHTZUGEHÖRIGKEIT UND BILDUNGSABSCHLUSS STARK BEEINFLUSST.


    Zitat aus der Studie (Seite 30): Demgegenüber weisen die Einkommensstärksten (54 Prozent), Angehörigen der oberen Mittel- oder Oberschicht (57,5 Prozent), Hochgebildeten (58,8 Prozent) und die in Ausbildung Befindlichen (62,3 Prozent) jeweils eine deutlich überdurchschnittliche Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie auf. Die Mittelschicht zeigt sich ebenfalls leicht überdurchschnittlich zufrieden (52,1 Prozent), während die mittlere Einkommensklasse (2.000 bis 4.000 Euro) nahe beim durchschnittlichen Wert für alle Befragten liegt.


    Quelle: http://library.fes.de/pdf-files/fes/15621.pdf


    Auf den Nachdenkseiten zitiert Oskar Lafontaine in seinem Artikel zu der Studie am Ende den späteren US-Präsidenten James Madison: "Wie sagte einst James Madison, der spätere US-Präsident, der große Teile der US-Verfassung geschrieben und das parlamentarische System der USA mit aus der Taufe gehoben hat? „Die vorrangige Funktion einer Regierung ist es, die Minderheit der Reichen vor der Mehrheit der Armen zu schützen.“ Und wie man sieht, sind parlamentarische Regierungen damit nicht nur in den USA, sondern in der ganzen Welt sehr erfolgreich."


    Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=54156

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