In letzter Zeit ist mir öfters aufgefallen, dass sehr gerne etwas als falsch empfunden wird, was aber nach den Buchstaben des Gesetzes als legal zumindest aber als nicht strafbar eingeordnet wird. Trotz dieser Tatsache wurden Konsequenzen gefordert. Jetzt frage ich mich auf welcher Grundlage soll das Zusammenleben in einer Gemeinschaft stattfinden, wenn nicht auf der des Gesetzes. Darf es dann überhaupt Konsequenzen geben, wenn es nicht gegen das Gesetz verstößt? Und wenn ja, wonach richtet sich die Entscheidung darüber?
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Moral vs. Gesetz
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Interessantes Thema. Hier mal ein paar Gedanken.
Manchmal sind unmoralische Gesetze ja "offensichtlich":
- die Rassengesetze im 3. Reich oder die Segregation in den USA
- Sklaverei
- Heiraten Minderjähriger
- Frauen dürfen nicht wählenWarum ich "offensichtlich" schreibe? Weil beide Begriffe, sowohl Moral als auch Recht (welches ja die Gesetze bestimmt) subjektiv sind, einem stetigen Wandel unterliegen und sich auch heute von Gesellschft zu Gesellschaft unterscheiden. Bestes Beispiel sind für uns absurde Gesetze wie die Todesstrafe für Homosexuelle in einigen islamistisch geführten Ländern.
Gesetze sind fehlbar, Moral ebenso. Eine Gesellschaft lotet beides ständig neu aus, eben weil es schwierig ist, objektive Maßstäbe zu setzen. Die Grundrechte sind da natürlich ein in meinen Augen guter Versuch, aber selbst gegen die kann ein EU-Staat wie Ungarn wiederholt verstoßen und es gibt keinerlei Konsequenzen, weil Realpolitik oft als wichtiger angesehen werden als sowohl Gesetz als auch Moral.
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Jede Gesellschaft hat Normen und Werte.
Was gegen eine Muss-Norm verstößt, die gesetzlich geregelt ist, wird rechtlich bestraft.
Der Verstoß gegen Soll-Normen, also allgemeine Sitten bzw das, was allgemein von jemandem erwartet wird, hat Ablehnung der Mitmenschen oder (nicht juristische) Bestrafung zur Folge.
Und auch diese Soll-Normen sind wichtig für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Es ist zwar uU nirgends festgeschrieben, dass zB ein Politiker keine Werbung auf Bundestagspapier für Firmen machen sollte, an denen er selbst beteiligt ist. Die große Mehrheit der Gesellschaft findet jedoch (mE zurecht) dass dies so nicht in Ordnung ist. Für so einen Verstoß folgen dann halt keine juristischen Konsequenzen, aber ggf wird der Politiker bei der nächsten Wahl bestraft, oder muss unter Druck zurücktreten.
Oder ein Fleischfabrikant bringt Leiharbeiter in einer Form unter (und schafft entsprechende Arbeitsbedingungen), dass es zwar dem Gesetz nach gerade noch geht, aber völlig objektiv für jeden nicht Hardcore-Wirtschaftsliberalen einfach nur asozial ist. So jemand muss dann halt (leider oft erst beim Ausbruch von Seuchen, da das Problem erst dann von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wird) mit den gesellschaftlichen Konsequenzen leben.Natürlich wandeln sich Normen auch im Zeitgeist. Die meisten erklären sich jedoch einfach durch gesunden Menschenverstand.
Jeder, der sich in einer Gesellschaft bewegt, profitiert auch von dieser. Insofern ist es mE nicht zu viel verlangt, sich auch so zu verhalten, dass man nicht gegen die grundlegenden Normen und Werte verstößt. Tut man das nicht, hat man die Konsequenzen zu tragen. -
Die Beispiele sind richtig für erwiesene Tatsachen, aber darf es eine gesellschaftliche Strafe geben, wenn etwas (noch) nicht erwiesen wurde?
Ein Promi verliert einen Werbevertrag, weil im Internet Anschuldigungen über eine Aktion oder Aussage laut wurden bzw. bekannt wurden. Darf der Werbepartner den Vertrag kündigen aus moralischer Sicht?
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Zitat
Original geschrieben von Indy26:
Die Beispiele sind richtig für erwiesene Tatsachen, aber darf es eine gesellschaftliche Strafe geben, wenn etwas (noch) nicht erwiesen wurde?Ein Promi verliert einen Werbevertrag, weil im Internet Anschuldigungen über eine Aktion oder Aussage laut wurden bzw. bekannt wurden. Darf der Werbepartner den Vertrag kündigen aus moralischer Sicht?
Naja, das steht ja auf einem anderen Blatt, von „nicht erwiesen“ war in der Ausgangsfrage nichts zu lesen.
Ich rede nicht von unbewiesenen Dingen, die irgendwo in den Raum geworfen werden und hatte auch deine Frage oben („Darf es überhaupt Konsequenzen geben, wenn es nicht gegen das Gesetz verstößt“) nicht so verstanden.Wenn falsche Anschuldigungen zu schwerwiegenden Konsequenzen führen, ist das natürlich ohne jede Diskussion falsch und ggf sogar sehr schlecht für die Gesellschaft als solche.
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Zitat
Original geschrieben von Tom Mickel:
Naja, das steht ja auf einem anderen Blatt, von „nicht erwiesen“ war in der Ausgangsfrage nichts zu lesen.
Ich rede nicht von unbewiesenen Dingen, die irgendwo in den Raum geworfen werden und hatte auch deine Frage oben („Darf es überhaupt Konsequenzen geben, wenn es nicht gegen das Gesetz verstößt“) nicht so verstanden.Wenn falsche Anschuldigungen zu schwerwiegenden Konsequenzen führen, ist das natürlich ohne jede Diskussion falsch und ggf sogar sehr schlecht für die Gesellschaft als solche.
Stimmt das ist mir erst später in den Sinn gekommen. Sorry für die Unklarheiten.
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Wobei man bei der Frage nach den Beweisen schon differenzieren muss. Dass nicht gleich jede einzelne Anschuldigung große gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen sollte, ist klar und wird wohl auch von den allermeisten so gesehen. Gleichzeitig würde ich schon sagen, dass bei diesen „gesellschaftlichen Strafen“, die letztlich darauf hinauslaufen, dass die Personen im Lichte der Vorwürfe Imageschäden erleiden und deswegen beispielsweise Werbepartner keinen positiven Effekt der Werbung mehr sehen oder Konsumenten das Produkt dieser Person nicht mehr kaufen wollten, die Hürden bezüglich der Beweislast deutlich geringer sind als etwa in einem Strafprozess, was aus meiner Sicht auch in Ordnung ist.
Es hat gute Gründe, dass wir sehr hohe Hürden für die Beweisbarkeit von Vorwürfen haben, wenn es darum geht, dass der Staat eine Person bestrafen soll; gleichzeitig ist die öffentliche Gesellschaft eben etwas anders strukturiert und in der Lage, auch in Situationen, in denen es für einen rechtsstaatlichen Prozess nicht reichen würde, dennoch aus Vorwürfen Konsequenzen zu ziehen. Diese müssen sich natürlich seinerseits auch im Rahmen des Rechts bewegen, das ist klar und nicht in Selbstjustiz ausarten, aber grundsätzlich halte ich es schon unter Umständen für nachvollziehbar, dass eine Person von der Gesellschaft etwa durch Boykotte zur Rechenschaft für etwas gezogen wird, bei dem die Beweisbarkeit aufgrund der sehr hohen Hürden des Strafrechts nicht ausreicht.Das ist natürlich letztendlich sehr abhängig vom Einzelfall und letztlich ist die Gesellschaft auch nur ein Zusammenwirken vieler Individuen, sodass jeder selbst entscheiden kann, in welchen Fällen man solche Konsequenzen für gerechtfertigt hält und ggfs. selbst zieht und wann nicht. Nur der Verweis auf die Strafbarkeit ist mir persönlich zwar zu wenig, aber letztlich muss das jeder für sich selbst entscheiden.
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Zitat
Original geschrieben von Indy26:
In letzter Zeit ist mir öfters aufgefallen, dass sehr gerne etwas als falsch empfunden wird, was aber nach den Buchstaben des Gesetzes als legal zumindest aber als nicht strafbar eingeordnet wird. Trotz dieser Tatsache wurden Konsequenzen gefordert. Jetzt frage ich mich auf welcher Grundlage soll das Zusammenleben in einer Gemeinschaft stattfinden, wenn nicht auf der des Gesetzes. Darf es dann überhaupt Konsequenzen geben, wenn es nicht gegen das Gesetz verstößt? Und wenn ja, wonach richtet sich die Entscheidung darüber?Mal von 2 Seiten aus betrachtet.
Seite 1: Ich finde, wir haben in Deutschland sehr gute Gesetze und wüsste eigentlich kein Beispiel, wo ich das Gesetz wirklich unmoralisch finde. Einzig in technischen - und praktisch nicht relevanten - Einzelheiten wäre das der Fall:
- Ich persönlich finde es nicht richtig, dass Abtreibung nach wie vor offiziell verboten ist. Es ist zwar unter gewissen Auflagen "strafffrei", aber eben trotzdem verboten. Das heißt, 95% aller Abtreibungen in Deutschland sind ungesetzlich (nur die nicht, die unmittelbar zum gesundheitlichen Wohl der Frau sind). Wie gesagt ist das eine sehr technische Unterscheidung (denn praktisch führt es ja nicht zu einer Strafe), dennoch ist es eine Haltung, die der Staat damit ausdrückt. Und zumindest ich persönlich finde diese falsch.
- Das Inzestgesetz. Wir hatten das letztes mal und ich will nicht wieder groß darauf rum reiten, aber es erschließt sich mir nicht, dass einzige der Vaginalverkehr zwischen in gerader Linie Verwandter strafbar ist, nicht aber alle andere Arten von sexuellem Verkehr. Noch unsinniger wird es, wenn man bedenkt, dass dieser Vaginalverkehr auch dann verboten bleibt, wenn beide definitiv zeugungsunfähig wären. Es gab dazu mal ene Diskussion im BVG, die sich (wenn auch nicht einstimmig) für die Beibehaltung des Status Quo ausgesprochen hat. Sinn machte das für mich nicht. Auch im Sinne der Moral sind. Wieso Vaginalverkehr zwischen Bruder und Schwester unmoralisch sein soll, Analvekehr aber nicht, wird zumindest mir nicht klar.
Seite 2: Es ist gut und richtig, dass es viele Dinge gibt, die zwar unmoralisch, aber nicht verboten sindHier meine ich vor allem zwischenmenschliche Verfehlungen. Seinen Partner zu betrügen und zu belügen finde ich durchaus unmoralisch, aber ich finde es richtig, dass man dafür keinen Ärger mit dem Gesetz bekommt.
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Zitat
Original geschrieben von Indy26:
Die Beispiele sind richtig für erwiesene Tatsachen, aber darf es eine gesellschaftliche Strafe geben, wenn etwas (noch) nicht erwiesen wurde?Ein Promi verliert einen Werbevertrag, weil im Internet Anschuldigungen über eine Aktion oder Aussage laut wurden bzw. bekannt wurden. Darf der Werbepartner den Vertrag kündigen aus moralischer Sicht?
Ja, denn das wird wohl so im Vertrag stehen, den beide Seiten unterschrieben haben. Der ist damit dann Gesetz.
In vielen Verträgen, gerade wenn Prominente involviert sind, aber auch in vielen Arbeitsverträgen gibt es eine Klausel, dass man nichts - öffentlich - tun darf, was das Ansehen des Unternehmens Schaden zufügen könnte. Dazu gehört dann auch schon unter Umständen eine Anzeige oder ein laufendes Verfahren. Wie es bei reinen Anschuldigungen aussieht, weiß ich nicht im Detail - aber da könnte auch der Term "geschäftsschädigend" greifen.
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Es gibt derzeit insbesondere 2 Dinge, die mit anständiger Moral nicht erklärbar sind:
Gesetze und Verordnungen auch des Verkehrs- und Innenministeriums gegen Seenotretter. Das ist nichts weiter als Zwang zur Unterlassung von Hilfeleistung und die Leute gehören für mich hinter schwedische Gardinen, die so asozial sind.
https://www.tagesspiegel.de/th…dert-werden/25957388.htmlDas entgegen unseres Grundgesetzes Eigentum nicht "verpflichtet". Scheiss drauf wie viele Menschen auf den Straßen landen. Hauptsache für Reiche ist gesorgt.
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Also ich halte von "Moral in der Gesellschaft" nicht mehr viel. Man liest doch täglich in allen Zeitungen von Leuten, die sich "ziemlich unmoralisch" aufführen und i.d.R. hat das nie irgendwelche Konsequenzen.
Aber es gibt ja eine schöne Aussage von Markus Söder, die er mal Harald Schmidt mitteilt haben soll: "Moral in der Politik verwenden wir nur, wenn wir jemanden [einem politischen Konkurrenten] schaden wollen."
Natürlich sollte man persönlich einen "moralischen Kompass" haben. Aber von seinen Mitmenschen sollte man grundsätzlich kein moralisches Handeln mehr erwarten. Was nicht gesetzlich verboten ist, wird halt gemacht.
Aktuelles Beispiel: Ich finde es aktuell ziemlich un-sozial, wenn man 2020 in Urlaub fährt wegen der Corona-Ausbreitung. Das gleiche gilt für die Teilname an irgendwelchen Großveranstaltungen, Partys, etc.
Nur das interessiert halt Millionen Leute im Land nicht. Es ist eben gesetzlich nicht verboten und deshalb wird es gemacht. Damit muss man sich einfach abfinden. Wahrscheinlich kommt auch die zweite Corona-Welle im Herbst.
Es ist auch unmoralisch, billig-Fleisch zu essen oder Mitarbeiter zu entlassen, wenn die Einnahmen stimmen. Nur das interessiert doch auch so gut wie niemanden mehr.
Aber mit "Moral" braucht man gar nicht in unserer Gesellschaft argumentieren. Dafür interessiert sich im Ernstfall eh keiner.
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Zitat
Original geschrieben von Indy26:
Ein Promi verliert einen Werbevertrag, weil im Internet Anschuldigungen über eine Aktion oder Aussage laut wurden bzw. bekannt wurden. Darf der Werbepartner den Vertrag kündigen aus moralischer Sicht?Aus moralischer Sicht auf jeden Fall, schließlich kann sich jeder selbst überlegen mit wem er welche Verträge abschließt und was für ihn ein Ausschlussgrund ist das eben nicht zu tun.
Hier kommt doch dann sogar mehr die gesetzliche Frage zum tragen, denn selbst wenn moralisch gerechtfertigt (was eh jeder für sich selbst entscheiden muss) ist ein Vertrag erstmal ein Vertrag und den kann man ja nur unter ganz bestimmten Umständen einfach kündigen. Und bis diese Umstände eintreten muss schon einiges vorfallen. -
Zitat
Original geschrieben von Josey:
Aus moralischer Sicht auf jeden Fall, schließlich kann sich jeder selbst überlegen mit wem er welche Verträge abschließt und was für ihn ein Ausschlussgrund ist das eben nicht zu tun..Im Szenario ging es aber doch nicht um Abschluss des Vertrages, sondern um eine Aufhebung.
Und ich finde nicht, dass man moralisch unbedingt das Recht hat, eine bestehende Vereinbarung zu kündigen, weil der andere etwas gemacht hat, was einem nicht passt. Bzw - genauer gesagt - es kommt dann sehr auf die genaue Situation an.
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Aus dem Zwiespalt heraus ist aus meiner Anwaltskarriere nichts geworden...
Wenn man explizit erwähnen muss, dass etwas "juristisch korrekt ist", dann ist das schon ein Eingeständnis, das einem bewusst ist, das dies moralisch/gesellschaftlich fragwürdig ist. (Grüße an meine besonderen Freunde, die Steuerrechtler...)
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Hast Du Beispiele für etwas, das "juristisch korrekt" aber fragwürdig ist?
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