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Sozialpädagogen schlagen Alarm. Soziale Folgen von Corona unberechenbar.

  • Ich möchte mich gerne mal über das oben genannte Thema unterhalten. Ich hatte ein längeres Gespräch mit einen Freund der mit Herz und Seele seinen Beruf als Sozialpädagoge ausführt und die aktuelle Situation als schwierig bzw. besorgniserregend einschätzt. Man könnte geradezu sagen, es treibt Ihn nun seid Inkrafttreten des lockdowns um.


    Als die Regierung den lockdown beschlossen hat, hat man bewusst oder unbewusst wohl nicht an die schwächsten der Gesellschaft gedacht. Sozialpädagogen haben aktuell keinen Zugang zu Ihren Klienten und umgekehrt aufgrund der Schließung derer Einrichtungen, die Klienten auch nicht zu den Sozialpädagogen. Ein treffen ist nach aktuellem Stand nur möglich, wenn man sich draußen in der freien Natur zu zweit trifft. Ein Brief an Herrn Ministerpräsidenten Laschet forderte zu Tage, dass man sich der Situation sehr wohl bewusst ist und man im stetigen Austausch dazu steht. Auch auf der Pressekonferenz von Herrn Laschet vom 07.04.2020 wurde das Thema von Ihm kurz angeschnitten, aber er blieb Lösungen schuldig. Man könnte es auch als politisches Lippenbekenntnis betrachten.


    Im Kern prangert mein Kollege an, dass aktuell keine Sozialen Kontrollorgane Ihrer Tätigkeit nachgehen können. Schulen sind geschlossen, Kindergärten nur für ausgesuchte der Gesellschaft geöffnet und Sozialpädagogen ist der Zutritt, wie bereits erwähnt, zu Ihren Klienten größtenteils verwehrt. Die Folge der aktuellen Regelung können traumatisierte Kindern sein, die durch häuslicher Gewalt oder sexuellen Missbrauch Ihren Peinigern ausgeliefert sind. Gleiches gilt für Erwachsene. Suizidale Gedanken/Ausführungen und tiefe Depression können sich aus dieser Situation ergeben und auf Jahre die Folge sein. Man muss sich in die Situation eines betroffenen versetzen, der aktuell per Anordnung der Bundesregierung aufgrund von Corona mit seinen Peinigern eingesperrt ist. Für wie lange? Das weiß aktuell leider niemand und das macht es noch schlimmer.


    Die Sorge ist groß, dass man das erarbeitete bzw den Fortschritt den man in den Jahren der Betreuung erreicht hat hier leichtfertig aufs Spiel setzt. Auch treibt die Sorge um, ob man seine Klienten denn nochmal erreichen kann? Aktuell ist wie gesagt eine Kontrolle unmöglich und ein unbemerkter Umzug könnte aktuell ohne weiteres vorgenommen werden.


    Die Frage wieso die Regierung solch wichtige Einrichtungen bei Schulschließungen nicht geöffnet gelassen hat muss erlaubt sein? Wir dürfen bei allen Schutz und Sorge um die Wirtschaft aber nicht die schwächsten der Gesellschaft vergessen! Kinder, Jugendliche und auch manche Erwachsene brauchen die Hilfe von außen und die Folgen können verheerend sein wenn man hier die Hilfe verwehrt. Corona fordert von uns allen einen hohen Preis ab, aber mancher Preis ist zu Hoch wenn man an die Spätfolgen denkt. Es ist gut und richtig, dass auch medial immer mehr Medien darauf aufmerksam machen, aber es ist erschütternd, dass das in Deutschland so passieren kann und man politisch solch eine Entscheidung trifft.


    Viele grüße und bleibt Gesund.

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  • A N Z E I G E
  • Das ist auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt, gleichzeitig aber auch eine unglaublich schwierige Abwägung. Die erwähnten Folgen sind zweifellos schlimm und es ist sicherlich richtig, dass soziale Arbeit aktuell stark eingeschränkt ist und dies heftige Konsequenzen mit sich führen wird, insbesondere was den Opferschutz angeht.
    Leider ist aber auch zu bedenken, dass Sozialpädagogen in der aktuellen Krise auch schnell zu Multiplikatoren des Viruses werden können, wenn sie eben Hausbesuche vornehmen und so den Virus möglicherweise von einer Familie zu einer großen Anzahl weitertragen können und so ebenfalls die schwächsten gefährden.
    Da ein gesundes Maß zu finden, das allen den bestmöglichen Schutz gewährt, stelle ich mir unglaublich schwierig vor und ich beneide niemanden darum, der gerade diese Entscheidungen treffen muss.


    Auf alle Fälle sollte das Thema aber auch die Aufmerksamkeit bekommen, die es verdient.

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  • Auch Sozialpädagogen und Einrichtungen müssen neue Wege gehen. Ein 1:1 Gespräch kann sogar über die WhatsApp Videotelefonie geführt werden.


    Ja, wir wissen alle, dass das nicht das Gleiche ist. Keine Frage. Aber es ist das Blatt dass wir ausgespielt bekommen haben. Es gibt ähnliche Probleme auch in den Religionsgemeinschaften, die, neben dem reinen Gebet eben auch Seelsorge betreiben. Das heißt auch hier: neue Möglichkeiten und Technologien nutzen. Ständige Erreichbarkeit schaffen, ein neues Handy anschaffen extra für diese Zeit. Notfalltelefone.


    Wir müssen bedenken, dass es eine temporäre Situation ist. In den meisten Städten gibt es einen Krisenstab, ansonsten beim Kreis oder Land. Es ist schwer aber es ist nicht unmöglich.

  • Besonders Bauchschmerzen macht mir die abulante Betreuung. Ich hab als angehender Gehörlosenpädagoge (mache noch dieses Jahr den Abschluss... wann auch immer) letztes Jahr einen Praktikum im abulanten Dienst für Assistenz für Gehörlose mit besonderen Bedarf gemacht und tiefe Einblicke gehabt.


    Es gibt Klienten, die sind abhängig(!) von der Betreuung. Ohne die, können sie gleich die Kugel geben. Durch die Kommunikationsschwierigkeiten außerhalb der Gebärdensprache sind die erst recht abhängig von gebärdensprachkompetenten Betreuern und brauchen(!) Face 2 Face Kommunikation, da sie teilweise so starke psychische Erkrankungen haben, dass eine persönliche Begegnung für sie Sicherheit und Halt gibt. Die meisten haben mit Technik sehr wenig am Hut.


    Zur Veranschaulichung, fünf Beispiele, die ich geschlechterneutral nenne:
    1. Klient Ü60, schwer krank, schwer traumatisiert, gehörlos, spielsüchtig und einzige Technik ist ein TV. Alles andere ist aufgrund der Spielsucht nicht erlaubt. Sein Taschengeld holt er wöchentlich vom abulanten Dienst, kein Zugriff auf sein Konto wegen Spielsucht. Kaum Hygienebewusstsein, wäscht so gut wie nie die Hände. Braucht wöchentliche Kontrolle.
    2. Klient Ü60, schwer lungenkrank über Jahre, schwerhörig, kann nicht selbstständig einkaufen, nutzt keine Technik außer TV.
    3. Klient Ü70, taubblind, braucht bei allen Aktivitäten außerhalb seiner Wohnung Betreuung.
    4. Klient Ü50, schwere PTBS, gehörlos, Migrant, keine Schule besucht, kann nicht lesen und nur sehr einfache Gebärden. Kommt ohne Betreuung nicht zurecht. Keine Technik außer TV.
    5. Klient Ü40, schwere Schizopherie, Messie, hat mit Technik nichts am Hut außer Faxkommunikation, Selbstständig, Gehörlos, Abulanter Dienst ist einziger sozialer Kontakt.


    Keine Ahnung, wie sie das ohne persönlichen Kontakt lösen. Bin mit dem Dienst nicht in Kontakt und kann daher nicht nachhaken.

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  • Zitat

    Original geschrieben von Heisenberg:
    Auch Sozialpädagogen und Einrichtungen müssen neue Wege gehen. Ein 1:1 Gespräch kann sogar über die WhatsApp Videotelefonie geführt werden.


    Ja, wir wissen alle, dass das nicht das Gleiche ist. Keine Frage. Aber es ist das Blatt dass wir ausgespielt bekommen haben. Es gibt ähnliche Probleme auch in den Religionsgemeinschaften, die, neben dem reinen Gebet eben auch Seelsorge betreiben. Das heißt auch hier: neue Möglichkeiten und Technologien nutzen. Ständige Erreichbarkeit schaffen, ein neues Handy anschaffen extra für diese Zeit. Notfalltelefone.


    Wir müssen bedenken, dass es eine temporäre Situation ist. In den meisten Städten gibt es einen Krisenstab, ansonsten beim Kreis oder Land. Es ist schwer aber es ist nicht unmöglich.


    Hatte ich auch im Kopf, aber das setzt voraus, das solche Geräte vorhanden sind und vor allem auch genutzt werden. Es ist mit Sicherheit ein mittel für Menschen, die in einer guten Verfassung sind, aber eben diese werden auch ein persönliches Gespräch im Park oder irgendwo in der freien Natur suchen um anliegende Probleme zu klären.


    Es geht halt mehr um die, wo du quasi täglich auf der Matte stehen musst und schauen musst ob alles seinen Gang geht. Der Herr Müller, der in seiner Wohnung vor Dreck verkommt, Post ignoriert und die Essensreste von letzter Woche noch auf der Herdplatte stehen hat, der wird sich bei dir nicht melden. Das sind quasi die Menschen die den täglichen Kontakt brauchen und aktuell nicht bekommen können.


    Und halt die Kinder, wo häusliche Gewalt ein Thema ist, werden nur schwer die Möglichkeit haben sich mit WhatsApp beim Betreuer zu melden um Hilfe anzufragen. Eine vier oder neun Jährige hat nicht unbedingt ein Handy und wenn Sie es hat, dann braucht Sie auch noch den Mut.


    Ich glaube sehr gerne, dass der Besuch vor Ort ein unerlässliches Mittel ist, um die Situation bei schweren Fällen immer wieder neu einzuschätzen. Du brauchst ein Gesamtbild und das bekommst du per WhatsApp einfach nicht.

  • Zitat

    Original geschrieben von Heisenberg:
    Fällt das nicht unter die ambulante Pflege und Betreuung, die man, unter Berücksichtigung der Hygenevorschriften dennoch aufrecht erhalten kann?


    Das weiß ich nicht, zudem einige der Betreuer selbst Familie haben (was das Risiko erst recht erhöht) und das Personal schon unterbesetzt ist. Auf ein Betreuer kommen ca. 5-10 Klienten und 75% davon brauchen lebenslange Betreuung. Nähme man also die Betreuer weg, die Familie haben, haben die restlichen Betreuer dann locker je 10-15 Klienten, zu denen sie teils keine tiefe Bindung haben bzw. die benötigte Vertrauensebene.


    Ich hoffe, dass da eine Lösung gefunden wurde.

  • Das sind halt alles dinge die man einfach nicht bedacht hat oder aber sie bewusst in Kauf nimmt. Ob jetzt die Sozialpädagogen in der Familienpädagogik oder aber bei dir im Ambulanten Bereich, müssen dringend die Möglichkeit bekommen Zugriff zu Ihren Klienten zu haben. Dort werden über Jahre aufgebaute Vertrauensverhältnisse zerstört.

  • Telefonie benötigt bei sowas doch auch viel Privatsphäre, die ist nicht immer gegeben. Jemand der Hilfe sucht, kann nicht telefonieren, wenn die Bedrohung im nächsten Raum sitzt. Oder selbst einfach Psychotherapie: ich weiß nicht ob ich da frei reden könnte, wenn sich eine andere Person in der gleichen Wohnung aufhalten würde, selbst wenn die Person nichts damit zu tun hat.
    Abgesehen davon ist "Technik anschaffen" doch leider auch kein Allheilmittel. Wenn man irgendwem ein Smartphone vor die Tür legt, die oder der noch nie eins in der Hand hatte und 0 Technik-affin jst, wird daraus nichts werden. Gleiches mit einem Laptop. Das müsste den Leuten erstmal sehr detailliert gelehrt werden und das ist momentan auch kaum umsetzbar.

  • Ich habe das ja mal hin und wieder erwähnt, dass ich auch im sozialen Bereich tätig bin. Und ich muss gestehen, es ist tatsächlich noch schlimmer als erwartet. Wir haben gerade mal den 10. des Monats und einige Leute wissen schon nicht mehr, wie sie jetzt oder spätestens in ein paar Tagen, das Essen auf den Tisch bekommen sollen. Und da sind Fälle wie Schwarzwäldere noch nicht bei. Ich denke Helicoptergeld oder Aufstocken für Renter mit geringem Einkommen, Geringverdiener und ALG2-Empfanger sollte zumindest geprüft werden.

  • A N Z E I G E
  • Ich habe übrigens nicht damit gemeint, dass „Technik alles sei“. Ich wollte damit nur sagen, dass es diese Möglichkeiten gibt und nicht alle komplett verloren sind. Es gibt am Ende immer ein besonderes Klientel, bei dem auch ein gewisses Risiko besteht, wenn man sie besucht und betreut.

  • Zitat

    Original geschrieben von The Maharaja:
    Einfach nur weil mich die genauen Gründe interessieren würden: Wären Hausbesuche möglich, wenn sich die Sozialarbeiter einfach Schutzmasken aufsetzen würden?


    Das hiesige Jugendamt hat Hausbesuche untersagt - zum Schutz der Mitarbeiter. Für Notfälle gibt es eine Rufnummer. Man kann sich nicht vorstellen, was in manchen Familien abgeht, selbst wenn alle paar Tage jemand kommt. 0 Förderung, 0 Tagesstruktur, zu wenig zu Essen, Geschrei, Gezanke usw. Schwer auszuhalten für kleine Kinder.


    Und jetzt fällt oft die einzig ordnende Hand weg, ich bin mir sehr sicher, dass Jugendhilfeeinrichtungen bald häufig angefragt werden.

  • Leider vor wenigen Tagen erst gelesen:


    Zitat

    Beim Hilfetelefon «Nummer gegen Kummer» gebe es einen Anstieg der Anrufe um mehr als 20 Prozent, sagte die Ministerin [Anm.: Familienministerin Giffey] «Zeit Online». «Es rufen sowohl mehr Kinder als auch mehr Eltern an.»


    Quelle. https://www.zeit.de/news/2020-…alt-vor-allem-in-staedten


    und das wären dann ja leider bereits die, die Kontakt suchen. die Befürchtung ist, daß es hier eine noch größere Dunkelziffer gibt. bisher ist das aber natürlich genau genommen alles spekulativ.


    (absurderweise, und das widerspricht sich natürlich bei genauerer Überlegung nicht, berichten eine Polizeidienststelle von einer rückläufigen Zahl der Meldungen von häuslicher Gewalt. die Frage ist aber eben, ob die Anzahl der Vorfälle/Taten oder schlichtweg die Anzahl der Meldungen/Anzeigen abgenommen haben)

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