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Der "Und was war sonst noch im Sport"-Thread #1

  • Zitat

    Original geschrieben von BBK:
    Vielleicht kann ja Robert was zum Spiel mehr sagen, irgendwelche "Fehler" oder sonstiges


    Die erste Partie war extrem langweilig, Kramnik spielt mit Weiß die sogenannte Abtauschvariante in der der Slawischen Verteidigung, die als Remisvariante verschrien ist. Anand hat einen Bauern geopfert, um den Abtausch der Damen zu forcieren und in einem Endspiel mit sogenannten ungleichfarbigen Läufern zu landen (d.h. beide Seiten haben je einen Läufer, jedoch unterschiedlicher Feldfarbe, u.U. stehen noch wie hier Türme am Brett; diese Konstellation gilt als ziemlich Remisanfällig, auch bei ungleicher Bauernanzahl, ohne Türme sowieso) wo er noch dazu genug Spiel hatte um ein lockeres Remis zu erreichen.


    Die zweite Partie war deutlich spannender, Anand hat etwas überraschend 1. d4 gespielt, Kramnik hat daraufhin die Nimzo(witsch)-Indische Verteidigung gewählt (ich glaube keine seiner Hauptsysteme mit Schwarz). Anand wählt ein scharfes System mit 4. f3, unter Spitzengroßmeistern ein eher selten gespielter Zug (im Vergleich zu 4. e3 und 4. Dc2). Es entstand eine etwas unorthodoxe Bauernstruktur mit vier "Bauerninseln" (eine Bauerninsel umfasst die Bauern einer Farbe bis zur nächsten Bauern-freien Linie (in beiden Richtungen)), isolierte Bauern auf a, c und e dazu g-h. In solchen Stellungen haben die Figuren (im Vergleich zu den Bauern) deutlich mehr Kraft als in üblichen Strukturen, da die Bauern sich nicht gegenseitig unterstützen und leicht angegriffen oder blockiert werden können. In dieser Partie opferte im bald entstandenen Endspiel Kramnik einen Bauern für die Aktivität seiner Figuren, die ihm auch das Remis sicherstellte (wobei die Sache deutlich weniger klar als in Partie Nummer 1 war).


    In der heutigen dritten Partie kam wieder die Slawische Verteidigung von Anand zum Einsatz, wobei sich Kramnik für eine deutlich schärfere Variante entschied. Ich weiß nicht, wie weit die Sache bekannt war, in meiner Datenbank ist der 18. Zug von Weiß eine Neuerung, aber wahrscheinlich hatten beide (oder zumindest einer) die Stellung zu Hause noch weiter am Analysebrett. Anand opferte zwei Bauern, hatte aber den sichereren König (der weiße König von Kramnik schaut zwar auf den ersten Blick auch anfällig aus, aber irgendwie kommt Weiß nicht zum Angriff). Auf den ersten Blick schwer zu sagen, wo Kramnik den entscheidenden Fehler macht. Vermutlich war 18. Lf4 fragwürdig, dieser Zug hat die Abwicklung mit Bauernopfer von Anand ins Rollen gebracht.


    Analysen der ersten zwei Partien:
    http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,584188,00.html
    http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,584442,00.html

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  • Anand hat die fünfte Partie gewonnen, erneut mit Schwarz. Zwei Schwarzsiege in fünf Partien ist auf diesem Niveau sehr ungewöhnlich. Hier noch Kurzkommentare von mir zu den Partien #4 u. #5:


    In Partie Nummer 4 hat Kramnik seine Eröffnungswahl auf abgelehntes Damengambit umgestellt, vermutlich wollte er nicht erneut Nimzo-Indisch spielen, nachdem er in Partie #2 schon recht knapp mit dem halben Punkt davonkam. Anand hatte nach der Eröffnung einen leichten Stellungsvorteil, da Kramniks d-Bauer isoliert war (d.h. Schwarz hatte keine Bauern auf der c oder e Linie um den d-Bauern zu decken, solche Bauern gelten generell als schwach, da sie schwerer zu verteidigen sind, andererseits hat man in solchen Strukturen oft den Vorteil, dass man für seine eigenen Figuren mehr gute Felder hat). Kramnik hat es aber mit einem geschickten Springermanöver geschafft diesen Bauern aufzulösen (soll heißen abzutauschen) und die Partie wurde Remis gegeben.


    In der heutigen Partie haben die beiden Kontrahenten die Eröffnung aus Partie #3 (die mit Sieg Anand endete) wiederholt, erst im 15. Zug wich Anand mit Schwarz ab. Es entwickelte sich eine ziemlich undurchschaubare Stellung, in der Kramnik viel Zeit benötigte. Im 29. Zug unterlief Kramnik ein Fehler, da er eine längere forcierte Variante ins Rollen brachte, in der Anand am Ende der Variante mit einem sehr starken 34. Zug die Partie entscheiden konnte. Diesen Zug hat Kramnik offensichtlich bei seinem 29. Zug übersehen.


    Es gilt gespannt zu sein, wie Kramnik nun reagiert, er muss von den verbleibenden 7 Partien 2 gewinnen um Weltmeister zu bleiben. Kramnik hat es schon einmal geschafft seinen Titel erst in der allerletzten Partie zu verteidigen (2004 hat er gegen Peter Leko in der 14. Partie den nötigen Ausgleich erzielt). Es gilt auch gespannt zu sein, ob/wie Kramnik seine Eröffnungswahl mit Weiß umstellt, ob er eine andere Variante gegen Anands Slawisch probiert oder ob er gar auf 1. c4, 1. Sf3 oder sogar auf 1. e4 umsteigt.

  • War wohl zu spät, Anand kann morgen mit Weiß komplett auf Remis spielen, und ein Spieler seiner Klasse müsste mit dieser Aufgabe eigentlich kein Problem haben. Spannend wäre es nochmals geworden, wenn Kramnik die 9. Partie auch gewonnen hätte (Anand war während der Partie selber der Meinung auf Verlust zu stehen, bei knapper werdender Zeit hat dann Kramnik aber fälschlicherweise die Damen getauscht, was die Partie im Remis enden ließ).

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  • Jop, großartige Leistung von Anand... wobei ich jetzt die Berichte und Partien nicht so durch hab.


    Wenn ich mich recht entsinne hat eine von Kramniks Varianten Anand den ersten Sieg gebracht und danch hat der Inder dsehr souverän gespielt. Der Sieg von Kramnik kam einfach zu spät...


    Najo, ich gönns eh dem Inder :)

  • Wobei Kramniks Gewinnpartie die schönste des Wettkampfes war. Die Partie war wie zu Kramniks besten Zeiten: ein kleiner positioneller Fehler den Kramnik ausnützt und die Sache dabei kinderleicht aussehen lässt, obwohl es das ganz und gar nicht ist. Durch kleine aber feine Maneuver hat Kramnik diese Partie sehr schnell beendet und Anand dabei sehr schlecht aussehen lassen. Die Schlussstellung ist etwas fürs Lehrbuch: Anand hat nichts weniger, die Bauernstrukturen sind gleich, aber Anands Figuren stehen so katastrophal, dass sie gegen Kramniks Figuren völlig machtlos sind. Wer will kann sich die Kommentare von http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,586879,00.html durchlesen, die diese Partie sehr gut erklären.

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  • Morgen beginnt in Dresden das größte Schachereignis des Jahres: die Schacholympiade, ein Mannschaftsturnier das alle zwei Jahre stattfindet, mit insgesamt über 150 Nationalteams. Neben den großen Schachnationen wie Russland, Ukraine, Indien, China etc. sind am Start auch Exoten wie Palau, Trinidad & Tobago oder die Seychellen. Die Topfavoriten bei den Herren sind natürlich die Russen, die mit der Nummer 2 (Morozevich), der Nummer 6 (Kramnik), der Nummer 10 (Jakovenko), der Nummer 17 (Svidler) und der Nummer 23 (Grischuk) der Welt antreten. Von der absoluten Weltelite sind bis auf Anand alle am Start.

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