Was für ein Tag. Es war ja schon länger klar, dass die WWE ihr Network ankündigt. Aber was genau angekündigt wurde: das nimmt mich jetzt doch mit. Und es ist schon jetzt - auch außerhalb der TV-Lizenvehandlungen - klar, dass 2014 das wichtigste Jahr in der WWE-Geschichte wird. Knapp 30 Jahre nachdem die WWE mit Wrestlemania ein Geschäftsmodell zwat nicht erfand, aber etablierte, hat sie nun dieses Geschäftsmodell quasi über Nacht komplett über Bord geworfen. Die Rede ist von den Wrestling-PayPerViews. Über drei Jahrzehnte hat dieses Geschäftsmodell die Wrestlingindustrie geprägt. Von der WWE bis hin zu kleinen Indyligen. Doch was passiert, wenn man dieses Modell über Bord wirft? Dazu möchte ich einige Gedanken loswerden.
Zuerst sei gesagt, dass wir als Fans umdenken werden müssen. Bisher wurde der Erfolg einer Company von Buys der PPVs gemessen. Und von Quoten der Weeklies. Ersteres fällt bei der WWE nun weg, da diese über das Network ausgestrahlt werden. Gleichzeitig heißt das zumindest in meiner Wahrnehmung die Abschaffung des klassischen Begriffs "Großveranstaltung" wie ihn Carsten Schaefer prägte. Schon seit Jahren wirkten viele PPVs eher wie RAW-Specials mit längeren Matches. Schöne Dekos für Großveranstaltungen gibt es seit vielen Jahren nicht mehr, vielmehr findet alles vor der quasi selben Kulisse statt. Nun ist es aber auch so, dass Weeklies und Großveranstaltungen vom Status her angeglichen werden. Bisher hatten Großveranstaltungen einen höheren Status, weil man für sie extra bezahlt hat. Die Frage darf also erlaubt sein, was für ein Wert beispielsweise der SummerSlam noch hat, wenn er ein Format von vielen im Network ist?
Die internationalen Verträge werden die bisherigen Großveranstaltungen noch weiterhin als PPVs führen. Die müssen ja erfüllt werden. Aber ich gehe davon aus, dass das Network nach Ablauf aktueller Verträge auch in diesen Ländern eingeführt wird. Wieso sollte man außerhalb der USA ein PPV-System aufrechterhalten wollen? Das wäre unogisch.
Für die WWE ist dieser Schritt ein Schritt, der für ihre Zukunft entscheiden wird. Auch wenn die Buys in den vergangenen Jahren rückläufig waren, sie waren eine feste Größe im Jahreseinkommen der Company. Nun macht man sich abhängig von den TV-Deals und dem Network. Das Network MUSS ein Erfolg werden. Andernfalls stehen der WWE sehr, sehr schwere Zeiten bevor. Auch wenn man sicher hochdotierte TV-Verträge dieses Jahr bekommt. Allein davon wird sich eine Company dieser Größe nicht übers Wasser halten können. Nun muss man auch kein Insider sein um zu sagen, dass man allein mit Archivware wie alte WWE, WCW oder gar ECW oder SMW Shows nicht den Mainstream hinterm Ofen lockt. Man wird also zwangsläufig mehr in Realityformate wie dieses unsägliche Total Divas investieren und natürlich diese Dinge noch stärker in den Shows pushen, damit die Leute den Network abonnieren. Schon allein die Einführung der App war unerträglich in den Shows. Leider hat WWE die Angewohnheit ihre Neuerungen bis weit über die Schmerzgeze zu promoten. Ich will also garnicht wissen wie die RAWs der nächsten Monate aussehen werden. Meine Befüchtung ist, dass die Shows stark zur allgegenwertigen Werbeshow des Networks mutieren. Und ich kann mir jetzt schon ausmalen, wie ihr alle in den Theads drüber kotzen werdet.
Zurück zum Network: man wird also verstärkt in weitere, nicht unbedingt Wrestlingformate investieren. Sowas wie "Camp WWE" oder die Zusammenarbeit mit WB für gemeinsame Filme (Scooby Doo und Flintstones) sind wohl erste Vorzeichen. Sicherlich wird man auch das WWE Filmstudio nun wieder mehr fördern. Denn so ein Network braucht auch Inhalte abseits klassischer Wrestlingshows um in einem Mainstreammarkt zu funktionieren. Ob es dazu kommt, dass WWE verstärkt den Wrestlingcharakter verlieren könnte?
Warum ich in der Überschrift schrieb, dass das Network das Wrestling allgemein verändern wird? Jetzt komme ich zu meinem größten Kritikpunkt: sollte das Network ein Erfolg werden, dann werden es andere Ligen wie TNA oder RoH oder die ganzen Indys noch schwerer haben wie jetzt schon. Wenn die WWE tausende an Shows für 10 Dollar im Monat anbietet, wer bezahlt dann noch 15 oder 20 Dollar für eine Indy-Show? Schon jetzt ist der Markt klein und ich denke, dass der Übersättigungseffekt größer werden wird und das auch die Indyszene massiv treffen wird. Man sieht es in der Musikindustrie. Hier kommen Unternehmen wie Spotify und entwerten die Musik regelrecht. Niemand, der einen Streamingdienst wie Spotify nutzt, möchte noch für eine einzelne Produktion einer kleineren Band zahlen. Ähnliches kann man auch bei Streamingdiensten wie Watchever & Co. sehen. Vergleichsweise wird es auch werden, wenn das Network erfolg hat. Im Thread zum Network wurde schon von jemanden gesagt, dass er sich verarscht fühlen würde, wenn man Shows aufeinmal so billig anbietet. Bestimmt kein Einzelfall. Wenn nun die WWE das PPV-Konzept übern haufen wirft, wie sollen andere Ligen dagegen halten? Zudem: mit einem erfolgreichen Network werden die Menschen auch sehr an die Company gebunden. Es wird also noch schwieriger für andere Ligen Zuschauer zu gewinnen als es jetzt schon ist. Ob sich Indys also an die veränderten Marktgegebenheiten anpassen können? Ich wüsste nun nicht, wie das gehen soll.
Fakt ist: eine neue Dekade, ein neues Wahnsinnsprojekt von Vince. Nachdem er vor 20 Jahren mit der WBF auf die Nase flog und vor 12 mit der XFL Millionen verbrannte, versucht er es wieder. Man hätte ja auch mit Hulu oder Netflix zusammengehen können, aber nein, man macht was eigenes. Egal ob das Network funktioniert oder nicht: es wird das Wrestlingbiz nachhaltig verändern. Denn das PPV-Konzept wird auch nach den Scheitern des Networks tot sein. Und das würden auch sämtliche andere Indys treffen, die sich heute noch mit dem Verkauf einzener Veranstaltungen gerade so übers Wasser halten...
(P.S.: Waum ich das Ganze in nem eigenen Thread packe steht an sich schon im Text. Ich möchte disutieren, was für allgemeine Auswirkungen das alles hat. Also auch über WWE hinaus. Dieser Aspekt würde im WWE-Thread untergehen...)